Die kreativsten Agenturen zittern vor einer Übernahme durch Consulting-Netzwerke. Rufe, klassische Kommunikationsagenturen seien bald überflüssig, werden lauter. Was ist daran?
Wir leben im Zeitalter der Veränderung. Nur wer Veränderungen für sich selbst und seine Kunden nutzbar macht, kann die digitale Transformation überstehen. Der Trend ist nicht mehr zu übersehen: digitale Beratungsfirmen bedrohen klassische Werbeagenturen und deren Netzwerke.
Zunächst einmal übernehmen Digitalberater in steigendem Tempo Kreativ- und Spezialagenturen. In Deutschland waren dies Aperto, Ecxio, Sinner-Schrader, Mackevision, Cundus und Everett, weltweit mehr als 70. Allein Accenture investierte für Agenturzukäufe mehr als eine Milliarden Dollar.
„Digitalberater übernehmen in steigendem Tempo Kreativ- und Spezialagenturen.“
Unternehmen richten ihre gesamte Struktur kundenzentrisch aus, dabei rückt das Kundenerlebnis in den Mittelpunkt. Wesentliche Bestandteile sind dabei neue digitale Produkte und Services. „Dazu gehören strukturierte Daten, der Aufbau von Technologie-Know-how, Kreativkompetenz an den Kunden-Touchpoints und die Fähigkeit, programmatische Plattformen skaliert betreiben zu können,“ erklärt Rainer Balensiefer, Chef von Accenture Interactive Deutschland.
Als dritter Punkt fällt das Abwerben von hochqualifiziertem Personal für klassische und spezialisierte Agenturen ins Gewicht. So versorgen sich Consulting Unternehmen mit dem Strategie Know-how, das ihnen einen Beratungsvorsprung gegenüber klassischen und Mediaagenturen sichert.
Ausschlaggebend für diese Entwicklung ist in erster Linie die Digitalisierung. Werbetreibende müssen ihre gesamte Organisation umbauen, um ihre Kunden auf allen Kanälen zu erreichen, global in einer fragmentierten digitalen Welt. Grundlage dafür ist die Fähigkeit, Daten zusammenzuführen, zu bewerten und zu ordnen. Aufgaben, die Medienagenturen nicht leisten können.
Gleiches gilt das Wissen, kreative Ideen mit Technologien zu verbinden. Modelle entwickeln, wie Kreation sich in der Produktions- und Distributionslogistik verhalten soll, ist die Herausforderung der Zeit. Kommunikation umfasst jetzt die gesamte Erlebniskette von der Beratung über die Technologie und Kreation bis hin zur Umsetzung. Produkt- und Serviceentwicklung sowie die Distribution sind somit wichtige Bausteine einer nachhaltigen Beratung.
„Kommunikation umfasst jetzt die gesamte Erlebniskette von der Beratung über die Technologie und Kreation bis hin zur Umsetzung.“
Deshalb reichen die kreativen Ideen der Vergangenheit allein nicht, um die Wünsche der Kunden erfüllen zu können. Die Kreation soll technologiegestützt an den Touchpoints mit hoher Konversion skalierbar sein. Dafür müssen unterschiedliche Disziplinen integriert werden und ineinandergreifen. Digitalberater übernehmen somit immer mehr die Aufgaben von Kreativ- und Digitalagenturen, Mediadienstleistern und Produktionsunternehmen, wenn es dort an Agilität und Innovationsgeist fehlt.
Werbeagenturen, die ihr Geschäftsfeld dem digitalen Zeitalter nicht angepasst haben, zahlen einen hohen Preis. Auch kleine Unternehmen, für die keine Datenströme kategorisiert und verknüpft werden, müssen sich technologischen Prozessen und der Digitalisierung stellen. Für sie ist die Nutzung integrierter Daten aus Social Media und klassischen Mitteln wie Internet, Messen, Newslettern, CRM oder Veranstaltungen erforderlich.
Bisher beantworteten Werbeagenturen den Kundenanforderungen mit ihrer Kompetenz in der Umsetzung vorhandener Ideen. Der Relaunch der Website, ein moderneres Design, eine klassische Kampagne und ein paar SEO-Optimierungen erfüllten das Briefing, ohne lebensnotwendige Zukunftsperspektiven aufzuzeigen.
Zeitgemäße Werbeagenturen sind eigentlich keine mehr. Sie müssen ihre Beratungskompetenzen ausbauen und Kunden stärker führen. Ihre Aufgabe wird es sein, Antworten zu finden, die Veränderung, Zukunftschancen und Wachstum fördern. Dafür müssen sie Teams bereitstellen, die klassische und digitale Lösungen entwickeln. In den Agenturen der Zukunft herrscht dann interdisziplinäres Denken und führt zu nachhaltiger Beratung. Es gilt, Strategien für das digitale Zeitalter zu finden, Medien und Marketingdisziplinen zu verknüpfen und neue Geschäftsfelder/-modelle zu implementieren.
„So gesehen sind nur die Werbeagenturen überflüssig, die ihre alten Geschäftsfelder hüten und bewahren wollen.“
Stellen sie sich den Aufgaben der Zukunft und bieten sie ihren Kunden echte Zukunftsperspektiven, haben sie eine realistische Chance, in transformierter Form zu überdauern. Dann wachsen sie mit ihren Kunden, denken disruptiv und bleiben dabei konstruktiv.
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